femme fatale der 20er

Franci Schönhöfer und Sanna Wendhack

„Berlin, 1924-1929 – ein Abschnitt des zwanzigsten Jahrhunderts, der den Anschein eines glamourösen, lebensbejahenden und sorglosen Lebensstiles suggeriert. Doch vor allem in der Unterhaltungsbranche wurden Frauen, die auf der Suche nach einem selbstbestimmten Leben waren, schnell zu einem Requisit des Nachtlebens. Auf der Flucht vor der Realität rutschten viele in den Abgrund des Alkohol- & Drogenmissbrauchs. Was steckt wirklich unter dem Schleier der Goldenen Zwanziger? Lassen wir uns vom äußeren Erscheinungsbild hinterlassener Gegenstände dieser Zeit trügen?“

Um das Grauen des Ersten Weltkriegs zu vergessen und der Realität der Nachkriegszeit zu entfliehen, entsteht Mitte der 20er-Jahre eine regelrechte Gier nach Amüsement. Jeden Abend in den unzähligen Lokalen und Kabaretts der Stadt blüht das Nachtleben auf. Groß in Mode ist der Nackttanz und unter den Tänzerinnen eine Ikone: Anita Berber.

Die Göttin der Nacht bricht mit ihren Tänzen zu Tod, Sucht und Geschlechteridentität mit den Konventionen der Zeit und fordert mit ihren Inszenierungen die Moralvorstellungen und Sehgewohnheiten ihres Publikums aufs Äußerste heraus. Doch die Ernsthaftigkeit und Bedeutung ihrer Kunst blieb zu jener Zeit unerkannt. Aus heutiger Perspektive scheinen ihre Arbeiten sowie ihr Selbstverständnis geradezu radikal feministisch und offenbaren (nach heutiger Auffassung) queere Positionen.

„Wir tanzen den Tod, die Krankheit, die Schwangerschaft, die Syphilis, den Wahnsinn, das Sterben, das Siechtum, den Selbstmord, und kein Mensch nimmt uns ernst. Sie glotzen nur auf unsere Schleier, ob sie darunter etwas sehen können, die Schweine.“ – Anita Berber

Die Installation „Femme fatale der 20er“ steht repräsentativ für die Personengruppe junger Tänzerinnen, die nicht nur mit der scheinbar glamourösen Showwelt der 20er-Jahre in Zusammenhang gebracht werden soll. Sie will die Betrachter*innen anstoßen, sich tiefer mit den Menschen, ihren Lebensumständen sowie den Inhalten, Aussagen und Hintergründe ihrer Darbietungen zu befassen.

Für die Umsetzung wurden sowohl das Farbkonzept als auch die Objekte so ausgewählt, dass man die Personengruppe klar erkennen kann. Die Objekte spiegeln die wichtigsten Elemente des Lebens vieler Tänzerinnen der 20er Jahre wieder. Thematisiert werden u. a. der übermäßige Drogenmissbrauch, die tänzerischen Auftritte als solches als auch die stetigen Reise gefragter Tänzerinnen, um sich in anderen Städten und Ländern präsentieren zu können. Der durchlässige Stoff in der Installation transportiert das Gemüt der Frauen, welches nach außen hin leicht und unbekümmert wirken soll, jedoch im Inneren von Tristesse dominiert wird. Ein Schleier, der als Schutz dienen soll, um das wahre Gesicht des persönlichen Befindens verbergen zu können. Die Soundkulisse deutet ebenfalls auf die tatsächlichen Verhältnisse im Leben der Frauen hin. Er symbolisiert den Kontrast zwischen dem Gezeigten und dem tatsächlich Erlebtem.

Text : Franci Schönhöfer, Sanna Wendhack / Seminar : Raumbilder – Wohnen in der Möglichkeit / Dozentin : Nora Fuchs / Fotografie : Franci Schönhöfer, Sanna Wendhack, Jürgen Dechert