Der≠ Design und Genderpreis wird zum dritten Mal, unter dem Titel „Genderful Life“, für hervorragende genderbezogene Arbeiten der Student*innen im Fachbereich Design vergeben. Es handelt sich um eine Anerkennung der besonderen gestalterischen Auseinandersetzung mit der Thematik der Geschlechterperspektiven. Der Inhalt des Wettbewerbs soll sensibilisieren für Wertevorstellungen bezogen auf Geschlechterrollen, geschlechtlichen Ungleichgewichts und damit die in der Gesellschaft verankerten Muster hinterfragen. Sämtliche Student*innen des Fachbereichs Design konnten sich beteiligen.
Dieses Jahr beteiligten sich insgesamt 18 Studierende mit 16 Projekten. Im „HANS A“, einer Räumlichkeit der Kreativwirtschaft „Dortmund Kreativ“ in der Dortmunder Innenstadt, wurden vom 11. – 14.07.23 alle eingereichten Arbeiten gemeinsam ausgestellt.
Die Preisträger*innen erhielten jeweils das Ungleichzeichen als Betonstein sowie 200 Euro Preisgeld. Die Preise werden gleichwertig behandelt, somit gibt es also keinen ersten zweiten und dritten Preis, sondern drei gleichwertige Prämierungen.
Ein Bewertungskriterium des Wettbewerbes ist die eindeutige Auseinandersetzung mit genderspezifischen Themen, außerdem wird der innovative konzeptionelle Ansatz im Umgang mit der Thematik berücksichtigt, sowie die hervorragende Gestaltung.
Elisabeth Kringe
BA Objekt- und Raumdesign
Das 14. Jahrhundert-und mit ihm die Ursprünge der Plattenrüstung – liegt weit zurück… doch noch immer werden Ritterrüstungen gebaut und auch getragen. Moderne Rüstungen finden ihren Einsatz z.B. in Filmen, Games und Logos, auf Mittelaltermärkten, Larp-Events oder auch im Joust als Hochleistungssport.
Doch seit damals hat sich viel verändert. Nicht nur, was Materialien und Herstellungsmethoden angeht…
In zeitgenössischen Filmen gibt es immer mehr Frauen in starken Rollen, die auch aktiv am Kampfgeschehen teilhaben. Auch die Game- und Larpszene ist mittlerweile nicht mehr eine reine Männer-
domäne. Dennoch gibt es in der Rüstungsdarstellung oft noch gravierende Unterschiede. Der Held trägt eine volle Plattenrüstung während die mindestens genauso starke Heldin daneben in einer „Bikini-Rüstung“ daherkommt. Warum gibt es eigentlich so viele „Bikini-Rüstungen“ in den Medien?
Können „Bikini-Rüstungen“ und „Boob-Plates“ realistisch sein? Was genau macht eine „Frauenrüstung“ eigentlich aus? Gab es sie, die historische gerüstete Frau und wie könnte heute eine realistische „Frauenrüstung“ aussehen? Mit diesen und anderen Fragen habe ich mich im Zuge meiner Bachelorarbeit
beschäftigt.
Jurykommentar
„Die gerüstete Frau“ stellt die Frage nach der sexualisierten Darstellung von Frauen in zeitgenössischen Filmen und Computer games. Somit werden die üblichen Stereotpyen der Frauenrolle hinterfragt, wie das metallische Bikinitop, welches nicht schützt, sondern die Frau sexy wirken lassen soll. Elisabeth Kringe entwickelt ein Gegenbild, eine Rüstung für die Frau, die eine wirkliche Schutzfunktion ausübt. Damit wird die übliche Erwartungshaltung gebrochen und auf überraschende Weise wird die Darstellung der weiblichen Rolle verändert. Die Frauen gewinnt Stärke und kann nun auch die Rolle der Kämpferin ausfüllen.
Die Jury vergibt einen Preis an Elisabeth Kringe. Die Jury sieht diese Arbeit als herausragend an. Zusätzlich zu der Auseinandersetzung mit Material und Technik überrascht das Konzept und löst eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Definition von Weiblichkeit aus.
Miriam Wolter
Master Szenografie und Kommunikation
Khawaja Siras gehören zu der indigenen Bevölkerung Pakistans und sind Teil der reichen Geschichte und Kultur des Landes. Obwohl sie im Laufe der Geschichte äußeren Bedrohungen ausgesetzt waren, wie etwa der Kolonialherrschaft der Briten, besteht ihr Erbe bis heute fort. Die LGBTQI-Community und Aktivist*innen haben maßgeblich dazu beigetragen, eine Reihe von Veränderungen im politischen Umfeld Pakistans herbeizuführen, darunter die Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz von Transgender-Personen (Transgender Persons Protection of Rights Act) im Jahr 2018. Der Dokumentarfilm untersucht
die jüngsten politischen Entwicklungen in Pakistan und präsentiert die Perspektiven von Mitgliedern der Community und Aktivist*innen.
Jurykommentar
Der Film dokumentiert und porträtiert Menschen in Pakistan, die als Trans Community mit einer gesellschaftlich schwierigen Position leben und umgehen. Die Perspektiven dieser Menschen (Khawaja Siras) wie auch die Sichtweise von Aktivisten und der LGBTQI Szene werden im Film erzählt und gezeigt. Der Film vermittelt eine große Nähe zu den Personen, die sich vor der Kamera zu ihrer Situation äußern. Darüber hinaus gibt er Einblick in eine wenig bekannte Welt und verknüpft die historische Entwicklung mit der aktuellen Gesetzeslage und der sozialen Position der Trans Community wie auch aktuellen politischen Entwicklungen.
Die Jury sieht den Film als präzise recherchiertes und dokumentarisches Zeitdokument und damit als hervorragenden Beitrag, um das Verständnis für die schwierige Situation von Transmenschen zu fördern. Die Dreharbeiten haben erfordert, Kontakte und Nähe zu der Community aufzubauen, um Interviews führen zu können, vor Ort zu filmen und das Projekt in der schwierigen Situation der Pandemie durchzuführen, was die Jury zusätzlich beeindruckt.
SamanehKhosravi
Master Fotografie
Diese Arbeit befasst sich mit meinen Gefühlen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini am 16.09.2022 im Iran und der darauffolgenden Women, Life, Freedom Bewegung. Während ich mich hier in Deutschland befinde, weit weg von meiner Heimat, werde ich täglich mit entsetzlichen Nachrichten konfrontiert, wie Frauen aufgrund ihres Geschlechts systematisch diskriminiert, unterdrückt oder sogar getötet werden. Als Fotografin, die im Iran geboren und aufgewachsen ist und einen Teil davon am eigenen Leib erfahren hat, beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit Themen der Selbst- und Fremdwahrnehmung von Frauen im Iran. Doch in dieser Zeit habe ich mich intensiver als je zuvor mit meinen eigenen Erfahrungen als iranische Frau auseinandergesetzt und dabei eine Vielzahl von Emotionen wie Wut, Frustration und Ärger durchlebt. Mit dieser Arbeit fordere ich mich heraus, diese Emotionen und die damit verbundenen Erfahrungen und Erinnerungen zu reflektieren und durch eine Selbstinszenierung festzuhalten. Darüber hinaus habe ich dadurch meine Emotionen verarbeitet und meinen inneren Zustand visuell ausgedrückt.
In einer Zeit, in der Frauen im Iran gesellschaftlich eingeschränkt und unterdrückt werden, erkenne ich im Netz als auch im Rückblick auf meine bisherigen Forschungsprojekte inspirierende Frauen, die trotz der Widrigkeiten ihren Weg fanden und nicht aufgaben. Dies lässt auf eine bessere Zukunft für Frauen im Iran hoffen.
Jurykommentar
Die Arbeit reflektiert die Gefühle der Autorin, die selber aus dem Iran stammt zum Tod von Jina Mahsa Amini. Ihre Reaktion ist eine fotografische Selbstinszenierung, um die eigenen Gefühle und Emotionen auf das Geschehen im Iran zu reflektieren wie auch fest zu halten und damit auch sichtbar zu machen. Das Thema der Veränderung der Rechtslage in Bezug auf die Frauen im Iran ist ein politisch brisantes und eindeutig genderbezogenes Thema. Die Jury sieht die Arbeit als eine hervorragende gestalterische Umsetzung, die mit dem Mittel der der Betroffenheit das Potential hat, über die unfassbaren Vorgänge nicht nur zu informieren, sondern auch ein Publikum emotional zu erreichen.
Ein herzliches Dankeschön an alle Teilnehmer*innen, Preisträger*innen, Organisator*innen und Besucher*innen!
Anne Jahn / Celia Joy Homann / Celine Yasemine Rolle / Catharina Cerny & Leon Manitz / Elisabeth Kringe / Franci Schönhöfer / Marie Schönenborn & Mariele Key / Helen Karina Wagner / Jana Schumacher / Miriam Wolter / Nele Gertsen / Pia Gräwe / Samaneh Khosravi / Sarah Ruholl / Sina Geist / Thomas Schroer
Selina Bischoff / Johanna Buderath / Jana Schuhmacher / Lena Sievering / Yifang Zhang / Prof. Nora Fuchs
Sonja Hunscha Zentrale Gleichstellungsbeauftragte / Selina Bischoff & Lena Sievering als studentische Mitglieder / Prof. Oliver Langbein / Prof. Nora Fuchs GB am FB Design
Text: Prof. Nora Fuchs / Autor*innen // Fotografie: Tim Semrau
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