Wettbewerb in der Veranstaltungsreihe Design und Gender am Fachbereich Design
Der ≠ Design und Gender Preis wird 2021 das erste Mal für hervorragende genderbezogene Arbeiten der Studierenden im Fachbereich Design vergeben. Es handelt sich um eine Anerkennung der besonderen gestalterischen Auseinandersetzung mit der Thematik der Geschlechterperspektiven. Insgesamt beteiligten sich 20 Studierende mit 10 Einreichungen aus vier Studienrichtungen. Die glücklichen Gewinner*innen 2021 sind:
Mona Dierkes mit Perks of being a woman (Fotoarbeit)
Lara Manon Elena König mit Queere Tiere (Entwurf für Leerstände)
Matthias Kowallmit Male Territories (Ausstellungsdesign)
Alle drei Arbeiten zeichnen sich aus durch einen innovativen konzeptionellen Ansatz im Umgang mit den spezifischen Gender Fragen wie auch durch die hervorragende Gestaltung der Entwürfe.
Der Preis besteht in einer finanziellen Unterstützung von 200 Euro je Preisträger*in. Pro Jahr werden drei Preise rückwirkend für Arbeiten aus dem Vorjahr vergeben. Als passender „Pokal“ wird ein Ungleichzeichen aus Beton verliehen, welches von Jan Kirchhoff gestaltet wurde.
Mona Dierkes studiert Fotografie im Bachelor und hat eine Fotoreihe eingereicht. Ihre Bilder sind gezielt aus der weiblichen Perspektive aufgenommen. Unter dem Begriff „Perks of being a woman“ hat sie intime Momente eingefangen und gesammelt und konterkariert sie durch die verschiedenen erzählerischen Bildebenen. Sie arbeitet mit Symbolen, Spiegelungen und experimentiert mit Doppelbelichtungen. Sie lässt damit Spielraum für eigene Assoziationen offen, verrätselt die Bilder und weist damit auf mehrere Bedeutungsebenen hin. Sie fragt nach der Rolle der Frau und reflektiert diese in vielen Lebensbereichen.
„Als Kind war ich eine Zeitlang der festen Überzeugung, ich könne nicht als Frau geboren worden sein. Diese These ließ sich jedoch nicht mit Fakten untermauern. Später erfuhr ich dann vom Unterschied zwischen sex und gender. Für mich war schnell klar: Dieses female gender passt nicht zu mir. Trotzdem werde ich in der Realität immer wieder auf mein biologisches Geschlecht zurückgeworfen. Diese Erfahrungen sammele ich seit 2019 in der Fotoserie „Perks of being a woman“. (Mona Dierkes)
Einige der Fotos waren Teil der Gruppenausstellung „under feminist construction“ im März 2021 in Schaufenstern in Bochum.
Die Jury sieht die Arbeit als intensive und durch den intimen Blick überzeugende Auseinandersetzung mit der aktuellen Rolle von jungen Frauen.
Lara Manon König studierte Objekt- und Raumdesign im Bachelor.
Der Titel ihrer Abschlussarbeit „Queere Tiere“ stammt von dem gleichnamigen Song von Sookee. 2017 erscheint das queer-feministische Lied und ruft mit Anspielungen aus dem Tierreich zu mehr Toleranz gegenüber queeren Lebensweisen auf. Lara Manon König hat einen Entwurf eingereicht, der auf sehr originelle Weise die Frage nach der Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Ausrichtungen stellt. Als möglicher Entwurf für Leerstände in der Coronazeit gedacht, untersucht Lara König die Frage der Toleranz anhand von Exempeln aus der Tierwelt. Wie den gut durchdachten Beispielsätzen zu entnehmen ist, wird dort anders als in der menschlichen Welt mit der sexuellen Ausrichtung umgegangen.
Sätze wie: „Schwule Schwäne adoptieren verlassene Eier“, ziehen gut inszeniert Aufmerksamkeit auf sich und spielen mit Klischeevorstellungen. Wir, die Betrachter*innen werden über die Tatsache informiert, dass die Tierwelt offenbar selbstverständlicher mit Fragen der Geschlechtszugehörigkeit umgeht als wir es im allgemeinen tun: „Männliche Seepferdchen tragen den Nachwuchs aus. “
Auch wenn sich die Toleranz für die LGBTQIA+ Community im Laufe der letzten Jahre in Deutschland erhöht hat, bestehen noch immer viele Vorurteile. Die Schaufenstergestaltung entkräftet eines dieser Vorurteile indem auf die Tierwelt verwiesen wird. Eine humoristische und plakative Art das Thema in die Gedächtnisse der vorbeigehenden Menschen zu rufen und Sichtbarkeit zu generieren. Bei den Tieren handelt es sich um Steinfiguren, die scheinen, als seien sie aus den Gärten der Einwohner:innen genommen und in einen neuen Kontext gesetzt worden. Eine ironische Art, Neugierde zu generieren und eine Art Identifizierung mit dem Gesehenen hervorzurufen. Der semi-transparente Stoff repräsentiert, allein durch seine Materialität, das Auflösen von Grenzen. Da hinter dem Stoff die jeweiligen Fakten zu dem Tier zu lesen sind. Bei dem Stoff handelt es sich um holografisch schimmernden Organza, welcher die Farben der LGBTQIA+ Community darstellt und durch das wechselnde Farbspiel das Auflösen der Grenzen weiter in den Fokus rückt. Als Font wird die „Massimo Grafia“ eingesetzt, welche durch ihre Vielfalt die Diversität weiter unterstützt. Sowohl für Klein- und Großbuchstaben als auch für alle Standardziffern sind mindestens fünf Alternativen verfügbar und es entsteht ein ausdrucksstarkes Bild, welches die Aussage der Szenografie stärkt. (Lara Elena Manon König)
Die Jury bewertet den Entwurf als sehr gut gestaltet. Das Konzept wirkt innovativ durch klug gesetzte Irritationsmomente. Die Jury verspricht sich von der Arbeit daher einen hohen Wirkungsgrad.
Matthias Kowall, studierte im Master Szenografie und Kommunikation. Seine Abschlussarbeit ist der Forschung zum Thema Homosozialer Männerräume gewidmet. Ein komplexes Ausstellungskonzept typisiert klassische bis moderne Männerräume, in die Frauen normalerweise keinen Zutritt haben.
„Homosoziale Räume spielen eine nicht unwesentliche Rolle bei der Konstruktion und Reproduktion traditioneller, hegemonialer Männlichkeit aus der sich wiederum die Benachteiligung von Frauen ergibt.
Das entwickelte Ausstellungskonzept geht dabei weiter, als nur die exkludierenden Praktiken von Männern als auch die Konstruktion männlicher Hierarchien inhaltlich zu erfassen. Die Besucher*innen sollen vielmehr, innerhalb zugeteilter Geschlechterkategorien, die Ausstellung performativ durchlaufen. Ausschlüsse und Hierarchien können so für jeden, unabhängig vom eigenen Geschlecht, Herkunft oder sexuellen Orientierung erfahrbar gemacht werden.“ (Matthias Kowall)
Die szenografische Inszenierung der Ausstellung ist abwechslungsreich. Nicht alle Räume werden betretbar für jede/n Besucher*in.
Der Zufallsgenerator würfelt die Rollen und Blickwinkel des Publikums aus. Die Frage nach der Geschlechtlichkeit stellen sich mehrfach, indem man auch dem Publikum nicht mehr das per Karte gezogene Geschlecht ansehen kann.
In unserer noch weitestgehend binär codierten Gesellschaft finden sich auch weiterhin vielfach geschlechtlich geteilte Räume. Problematisch sind dabei weniger Räume wie öffentliche Toiletten oder Umkleidekabinen sondern vor allem männliche, homosoziale Räume und Institutionen wie etwa Burschenschaften oder Fußball, aus denen Frauen aber auch Männer aufgrund ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung ausgeschlossen werden. Mit Homosozialität ist dabei nicht nur das Beisammensein von Menschen des gleichen Geschlechts gemeint, sondern auch die gemeinsame „Symbolische Sinnwelt“ und damit ein übereinstimmender Konsens hinsichtlich Wertvorstellungen oder Interessen, an denen sich orientiert wird (vgl. Meuser, 2010:301). Das entwickelte Ausstellungskonzept geht dabei weiter, als nur die exkludierenden Praktiken von Männern als auch die Konstruktion männlicher Hierarchien inhaltlich zu erfassen. Ausschlüsse und Hierarchien können so für jeden, unabhängig vom eigenen Geschlecht, Herkunft oder sexuellen Orientierung erfahrbar gemacht werden. Als Grundlage für die Hierarchien zwischen den Männlichkeiten diente dabei die Theorie der hegemonialen Männlichkeit von Raewyn Connell, nach welcher die männlichen Rollen, die die Besucher*innen einnehmen können, konstruiert wurden. (Matthias Kowall)
Die Jury bewertet den Ausstellungsentwurf als komplexen wie herausragenden innovativen Ansatz, Geschlechterrollen in Frage zu stellen und damit gesellschaftliche Veränderung zu bewirken.
Jury: Bettina Long, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der FH Dortmund, Pia Orfanidis, wissenschaftliche Hilfskraft, Prof. Nora Fuchs, Gleichstellungsbeauftragte des FB Design.
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