
Der ≠ Design und Genderpreis wurde 2025 unter dem Titel „ID – please?!“ bereits zum vierten Mal vergeben. Der Preis würdigt studentische Arbeiten aus dem Fachbereich Design, die sich inhaltlich und gestalterisch mit Geschlechterperspektiven auseinandersetzen. Ziel des Wettbewerbs ist es, für Rollenbilder, Ungleichheiten und gesellschaftliche Muster zu sensibilisieren und diese kritisch zu hinterfragen. Alle Studierenden des Fachbereichs konnten teilnehmen.

In diesem Jahr wurden 10 Beiträge aus fünf Studiengängen eingereicht. Im „HANS A“ in der Dortmunder Innenstadt wurden vom 05.02.2025 bis 08.02.2025 alle eingereichten Arbeiten gemeinsam ausgestellt, in Kooperation mit Dortmund Kreativ. Danke dafür!





Viola Dessin
MA Editorial Design
In ihrem Buchprojekt beschäftigt sich Viola Dessin mit der Rolle von Künstlerinnen in der aktuellen Kunstszene. Aus Gesprächen, Fotografien und persönlichen Einblicken entsteht ein vielschichtiges Bild davon, wie Frauen* heute in und mit Kunst arbeiten und wie ihre Erfahrungen von Emanzipation, Selbstbestimmung und Widerstand in ihren künstlerischen Positionen spürbar werden.
Zentral sind dabei Themen wie Widerständigkeit, Beharrlichkeit und Zärtlichkeit. Der weibliche* Körper ist nach wie vor patriarchalen Machtstrukturen ausgesetzt, im Privaten wie im Öffentlichen. Die Wut, die daraus entsteht, wird oft tabuisiert oder als unweiblich abgestempelt. Doch gerade diese Wut trägt einen starken Wunsch in sich: sichtbar zu werden, sich zu verbinden, Räume für Selbstbestimmung zu öffnen.
Die Künstlerinnen, mit denen Dessin spricht, zeigen auf unterschiedliche Weise, wie eine produktive Kraft sein kann. Kunst wird hier zu einem Ort, an dem Schmerz, Ungerechtigkeit und Ambivalenz nicht verdrängt, sondern geteilt und transformiert werden. Sie ermöglicht es, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen, Missstände zu benennen und kollektive Heilungsprozesse anzustoßen.
Das Buch macht spürbar, wie sich Verletzlichkeit und Stärke, individuelle Erfahrungen und kollektive Prozesse gegenseitig durchdringen.


Die Jury hebt hervor, dass die Arbeit Gefühle und persönliche Erfahrungen der porträtierten Frauen ernst nimmt und als wichtige Quelle für künstlerisches Handeln zeigt. Das Buch wird für seine inhaltliche Klarheit, seine Relevanz und seine gelungene grafische Gestaltung ausgezeichnet.
Adina Salome Harnischfeger
BA Fotografie

In ihrer Fotoserie zeigt Alina Salome Harnischfeger nackte Männer in ungewohnten, sensiblen Momenten. Die Aufnahmen öffnen einen Blick auf Verletzlichkeit, Nähe und Intimität: Qualitäten, die in traditionellen Darstellungen von Männlichkeit selten Raum erhalten. Genau dadurch setzt die Arbeit einen bewussten Kontrapunkt zu historischen und gegenwärtigen Bildtraditionen. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit dem männlichen Blick, der die Darstellung von Körpern in der Kunst, insbesondere in der Fotografie, lange dominiert hat. Dieser „male gaze“ ordnet Frauen häufig einer objektifizierenden, begehrensorientierten Perspektive unter und prägt bis heute gesellschaftliche Vorstellungen von Weiblichkeit, Intimität und Macht.
Die Serie kehrt dieses Verhältnis um, indem Männer aus einem weiblichen Blick heraus gezeigt werden. Ihre Körper erscheinen nicht als Projektionsflächen von Stärke oder Dominanz, sondern als Träger von Sanftheit, Offenheit und emotionaler Resonanz. Dadurch werden vertraute Rollenbilder brüchig und neue Perspektiven auf Männlichkeit sichtbar. Gleichzeitig begreift die Arbeit Geschlecht nicht als festes binäres System, sondern als Erfahrungslandschaft, in der Identität und Ausdruck vielfältig und wandelbar sein können. Indem die fotografischen Inszenierungen die menschliche Präsenz der Dargestellten in den Vordergrund rücken, entsteht ein Raum, der stereotype Zuschreibungen hinterfragt und das Verhältnis zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit neu verhandelt.


Die Jury würdigt die Arbeit, weil sie bekannte Vorstellungen über männliche Körperbilder erweitert. Die Serie fällt durch ihre ästhetische Qualität und die direkte, gleichzeitig sehr intime Bildsprache auf.
Ella Seeger
MA Fotografie
Die Fotoarbeit „They don‘t see us“ , die drei Gründungsmitglieder des georgischen Drag House-Kollektivs Ninja ETL porträtiert, gewinnt vor dem Hintergrund des neu eingeführten Anti-LGBTQ+-Gesetzes in Georgien noch mehr an Bedeutung. Dieses Gesetz, das im September 2024 verabschiedet wurde, schränkt Pride-Veranstaltungen, die öffentliche Zurschaustellung von LGBTQ+-Symbolen und die Medienberichterstattung ein und spiegelt damit eine zunehmende Unterdrückung der Sichtbarkeit von Queers im Land wider. „The Dragball“, wo Ninja ETL ihre Shows abhielten, ist derzeit verboten. Ninja ETL, das jüngste von acht Drag-Häusern in Tiflis, ist ein Symbol für den Kampf um LGBTQ+-Ausdruck in einer feindlichen Umgebung. Mit dem neuen Gesetz wird ihre öffentliche Präsenz weiter eingeschränkt. Die anonyme Darstellung einiger Mitglieder in diesem Werk spiegelt die Angst wider, die viele haben, wenn sie sich öffentlich als queer zu erkennen geben, insbesondere in einer Gesellschaft, in der eine solche Sichtbarkeit Gewalt oder rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Im September 2024 wurde Kesaria Abramidze, ein bekanntes Transgender-Model und Instagram-Influencer, in Georgien auf tragische Weise getötet. Sie wurde am 18. September 2024 in ihrer Wohnung in Tiflis erstochen aufgefunden, nur einen Tag, nachdem das Parlament des Landes das Anti-LGBTQ+-Gesetz verabschiedet hatte.


Die Jury sieht die Arbeit als ein wichtiges dokumentarisches Zeitzeugnis. Sie macht sichtbar, unter welchen Bedingungen queere Menschen in Georgien leben und vermittelt einen persönlichen Einblick in eine gefährdete Community.
Ein herzliches Dankeschön an alle Teilnehmer*innen, Preisträger*innen, Organisator*innen und Besucher*innen!

Laura Baalmann, Anne Braun, Viola Dessin, Adina Salome Harnischfeger, Mara Keil, Mariele Key, Shaqayeq Mohammadi, Ella Seeger und eine anonyme Teilnahme
Initiatorin und Organisatorin
Prof. Nora Fuchs
Jury
Quinn Husmann, Samaneh Khosravi, Prof. Oliver Langbein, Diplom Des. Meike Noster, Antonia Pecavar, LFBA Carina Witte
Text: Prof. Nora Fuchs / Autor*innen // Fotografie: Hannes Gutwerk, Prof. Nora Fuchs
Ausstellungsdesign:
Stefanie Heidrich, Astrid Rang, Benedikt Schneeberg und Dilara Yilmaz, Studierende im Master Szenografie und Kommunikation.
Eine Kooperation und mit freundlicher Unterstützung von Dortmund Kreativ!
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